Veranstaltung: | 48. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Status: | Beschluss (mehrheitlich angenommen) |
Beschluss durch: | Cornelia Lüddemann |
Beschlossen am: | 06.05.2023 |
Eingereicht: | 04.05.2023, 19:50 |
Antragshistorie: | Version 1 |
LKW-Maut auf Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen in Sachsen-Anhalt
Beschlusstext
Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt setzen sich für klimafreundliche Mobilität
ein. Dazu gehört, Gütertransporte auf der Schiene zu stärken und Transporte auf
Straßen per LKW zurückzudrängen. Desweiteren sollen die Verursacher von Schäden
an Infrastruktur (Straßen und Brücken) an den Instandsetzungs- und
Erhaltungskosten beteiligt werden. Ein Mittel, um den Güterverkehr auf der
Straße unattraktiv zu machen, ist die Einführung einer Maut auf Landes-, Kreis
und Gemeindestraßen.
Diese soll analog zur LKW-Maut auf Bundesfernstraßen (Autobahnen und
Bundesstraßen) via Mautsystem Gebühren für die Nutzung von Landes-, Kreis- und
Gemeindestraßen festgeschrieben werden. Die Einnahmen sollen prioritär in die
Instandsetzung und Erhaltungder Landes-, Kreis und Gemeindestraßen, den Ausbau
der Radinfrastruktur und den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (Bahn-
Bus-Landesnetz) investiert werden.
Zudem soll sich das Land Sachsen-Anhalt auf Bundesebene für ein bundesweit
einheitliches Mautsystem für Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen einzusetzen und
eine entsprechende Initiative in den Bundesrat einbringen bzw. unterstützen.
Warum ist uns eine LKW-Maut so wichtig?
LKW-Verkehre auf unseren Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen – Ausmaß und
Auswirkungen
Die Straßen im Land sind vielfach im schlechten Zustand. Sanierungsbedürftig
waren im Jahr 2017 41,5 % der Landesstraßen, das sind ca. 1.660 km. Für weitere
747 km Landesstraßen, das sind 18,6 %, ist eine intensivere Beobachtung nötig.
Auch um viele Brücken im Zuge von Landesstraßen steht es nicht besonders gut, da
rund 15 % der 742 Brücken im Zuge vonLandesstraßen in einem problematischen
Zustand sind, der von „nicht ausreichend“ bis „ungenügend“ reicht. Entsprechend
der aktuellen Bauwerksprüfungen im März 2023. Für ein Flächenland ist eine
funktionsfähige Infrastruktur essentiell für die Sicherung der Mobilität. Busse
und E-Autos, Car-Sharing Ansätze, Rettungswagen und natürlich PKWs sind auf
sichere, funktionsfähige Straßen angewiesen. Für die Kreis- und Gemeindestraßen
existieren derartige statistische Angaben nicht. Es kann aber davon ausgegangen
werden, dass es um diese Straßenkategorien nicht besser gestellt ist. Eher das
Gegenteil ist zu erwarten.
Ein Grund für zunehmende Straßenschäden ist die Intensivierung des LKW-Verkehrs.
Neben der Witterung der entscheidende Faktor für Qualitätsverschlechterungen der
Bausubstanz. Auf den am stärksten belasteten Landesstraßen fahren weit über
1.200 Fahrzeuge des Schwerverkehrs (wie z. B. auf der L 143 bei Landsberg) und
das pro Tag. Dabei belastet ein schwerer LKW die Fahrbahn mit dem 165-fachen
eines PKW. Nicht nur verursacht der LKW-Verkehr direkte Schäden an der
Fahrbahndecke, sondern das sogenannte Rutting, ein Nachschwingen des Bodens
unter Last, das sich wellenförmig ausbreitet, führt auch zu Schäden im
Untergrund, etwa bei Versorgungsleitungen und der Kanalisation. Gerade bei
Ortsdurchfahrten führt der LKW-Verkehr auch zu Schäden an Gehwegen und
anliegenden Gebäuden.
Letztlich beruht das Geschäftsmodell von Speditionen darauf, öffentliche
Infrastruktur – insbesondere eben Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen –
kostenfrei zu nutzen und damit zu verschleißen. Im Gegensatz dazu ist für jede
Zugfahrt im Schiennetz ein Trassenpreis zu zahlen. Öffentliche Mittel, die
Gelder aller Menschen, werden dann eingesetzt, um eben jene Straßen wieder in
Schuss zu bringen auch für den LKW-Verkehr, die zuvor von eben diesen LKWs in
Grund und Boden gefahren wurden. Diese einseitige Subventionierung des LKW-
Verkehrs muss nun beendet werden. Es muss für die Speditionswirtschaft
attraktiver werden, auf den Kombinierten Verkehr zu setzen und es darf eben
nicht sein, dass man einen schweren LKW konstengünstiger als per Schiene quer
durch das Land fahren zu lassen.
In den Landeshaushalten seit 2020 standen jeweils rund 85 Millionen Euro pro
Jahr für die Landesstraßen bereit (Für Kreis- und Gemeindestraßen liegen keine
Zahlen vor). Hauptsächlich für die Instandsetzung. Aufsummiert in nur drei
Jahren: 255 Millionen Euro. Gemäß Strategie Landesstraßenbau 2030 ist auch für
die kommenden Jahre mindestens diese Summe avisiert. Und dies vor dem
Hintergrund eines stets engen finanziellen Handlungsspielraum des Landes, der
sich in chronischer Unterfinanzierung von Radwegebau und ÖPNV manifestiert.
LKW-Maut als Anreiz für die Mobilitätswende
Eingedenk dieses Sachstandes gilt es das Verursacherprinzip zu stärken. Wer die
Straßen übermäßig stark abnutzt, ist entsprechend auch zur Kasse zu bitten.
Damit nicht einseitig die öffentliche Hand für Schäden an unseren Straßen
aufkommen muss, die wesentlich von privaten Unternehmen verursacht werden. Hinzu
kommt das übergreifende Anliegen einer dringend nötigen Mobilitätswende. Dafür
braucht es vermehrt Gelder für den Ausbau der Radwege an Landes-, Kreis- und
Gemeindestraßen und für die Ausweitung des ÖPNV-Angebots.
Ein Mittel der Wahl für diese Zielstellungen ist die Einführung einer LKW-Maut
für Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Auf Bundeseben für Bundesfernstraßen
(Autobahnen und Bundesstraßen) gängige Praxis. Formal möglich auch auf
Landesebene durch Verabschiedung eines entsprechenden Landesgesetzes. Die
Einnahmen einer solchen Landesmaut sollen neben der Instandsetzung und Erhaltung
der Landes-, Kreis und Gemeindestraßen auch dem weiteren Ausbau des
Radwegenetzes und dem Ausbau des ÖPNV dienen. Etwa dem Bahn-Bus Landesnetz.
Ausgeschlossen gehört die Nutzung der Gelder für Straßenneubau und -umbau /
Kapazitätserweiterung. Wir haben im Land genügend Straßen. Es gilt diese in
gutem Zustand zu erhalten.
Die LKW-Maut sollte nicht nur auf Landesstraßen ausgeweitet werden, sondern auch
auf alle anderen Straßenklassen in Sachsen-Anhalt, insbesondere weil:
- die Landesstraßen nicht gesondert beschildert sind und für
Verkehrsteilnehmende (z. B. aus anderen Bundesländern) die Fahrt auf einer
Landesstraße nicht erkennbar ist. Ortskundige würden dann ggf. über Kreis-
und Gemeindestraßen ausweichen
- es technischer einfacher ist, z. B. über Geofencing, festzustellen, ob ein
LKW innerhalb von Sachsen-Anhalt fährt oder nicht. Die Feststellung einer
Fahrt auf einer Landesstraße, ist technisch nicht ganz trivial
- die drei kreisfreien Städte und alle Städte über 50.000 Einwohner nichts
von der Maut auf Landesstraßen haben werden, da diese gemäß §42 StrG LSA
selbst innerhalb der Ortsdurchfahrten für die Landesstraßen zuständig
sind, aber gerade dort sehen die Straßen nicht besonders gut aus.
Wenn man die Maut für alle Straßen innerhalb von Sachsen-Anhalt erheben würde,
also auch auf Kreis- und Gemeindestraßen, dann werden alle kommunalen
Gebietskörperschaften davon profitieren.
Neben dem fiskalischen Anliegen insbesondere die Sanierungskosten gerechter zu
verteilen und der öffentlichen Hand damit mehr Spielraum bei
Infrastrukturmaßnahmen des Umweltverbundes zu eröffnen, ist das Anliegen auch
getragen von dem Ziel eines sozialökologischen Umbaus der Verkehrs- und
Wirtschaftsstruktur. Die LKW-Maut auch auf Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen
kann regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Auch können Speditionen zu
weiteren Effizienzsteigerungen geneigt sein und Fahrten noch besser abzustimmen
und zu bündeln. Anreize für weniger und kürzeren LKW-Verkehr sind dringend
nötig. Nur so kann die Verlagerung auf die Schiene klappen. Nur so können wir zu
einem Verkehrssektor gelangen, der seine Klimaziele einhält. Und nur weniger
LKW-Verkehr ist die nachhaltige Lösung für das Problem der massiven
Lärmbelastung in zahlreichen Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Teure und
flächenfressende Umgehungsstraßen heilen nur Symptome. Es braucht nicht mehr
Umgehungsstraßen, sondern schlicht weniger LKW-Verkehr. Auch dazu kann eine LKW-
Maut beitragen.
Als Nebeneffekt wird so der Anreiz für Ausweichverkehre der LKW-Maut auf
Bundesfernstraßen verhindert. Wenn alle Straßen im Land kostenpflichtig sind,
lohnt es sich nicht mehr Bundesautobahnen ggf. mittels Landesstraßen zu
umfahren. Auch dies kann die Verkehrslast in unseren Gemeinden reduzieren.
Die Wahrscheinlichkeit und Intensität solcher Ausweichverkehre ist die auf
Bundesebene angekündigte Ausweitung und Erhöhung der LKW-Maut im Rahmen des
Modernisierungspaketes für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung des
Koalitionsauschusses. Gleichzeitig zeigt die Erhöhung der LKW-Maut auf 200 Euro
pro Tonne CO₂, die Ausweitung auf 3,5t LKWs und die Öffnung der Mittelverwendung
für den Schienenverkehr den übergreifenden politischen Konsens zur Nutzung einer
LKW-Maut. Eine solche Maut auf Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen flankiert und
unterstützt damit eine bundespolitische Initiative.